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Regieren ohne Mehrheit?

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Eine Minderheitsregierung entsteht, wenn die regierende Partei oder Koalition weniger als 50 % der Sitze im Parlament hat und somit auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen ist, um im Parlament einen Regierungschef bzw. eine Regierungschefin zu wählen und Gesetze zu verabschieden.
Im Regelfall stützt sich eine Regierung (Exekutive) auf eine stabile, durch Koalitionsvertrag gesicherte, Mehrheit im Parlament (Legislative). Die Koalitionspartner einigen sich für die Dauer einer Legislaturperiode auf eine Regierungsmehrheit.

Im Gegensatz dazu werden Mehrheiten in Minderheitsregierungen auf unterschiedliche Arten organisiert. Eine Minderheitsregierung kann von einem Partner dauerhaft gestützt werden und funktioniert somit praktisch wie eine „versteckte Mehrheitsregierung“.
Eine andere Variante ist eine Minderheitsregierung, in der die Mehrheitsbildung nicht vorab festgelegt ist, sondern gegebenenfalls kurzfristiger und flexibler erfolgt.
Insbesondere diese Konstellation erfordert ein hohes Maß an Kooperationswille und Kompromissbereitschaft.

Solche Regierungen sind in Deutschland nicht der Regelfall, da das politische System auf stabile Mehrheitsverhältnisse ausgerichtet ist. Die meisten Bundes- und Landesregierungen konnten in der Regel stabile Koalitionen bilden. Dennoch gibt es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einige Beispiele für Minderheitsregierungen.
Auf Bundesebene kam es noch nie zu einer Minderheitsregierung, die zu Beginn einer Wahlperiode gebildet worden ist.

Auch auf Länderebene kamen Minderheitsregierungen selten vor. Es gab bisher in zwei Bundesländern Minderheitsregierungen, die jeweils über die gesamte Dauer einer Legislaturperiode Bestand hatten und zu Beginn einer Wahlperiode gebildet worden sind: Von 1994-2012 in Sachsen-Anhalt und von 2020-2024 in Thüringen.

Minderheitsregierungen bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen.
Ein Vorteil einer Minderheitsregierung kann darin liegen, dass sie bezüglich der Mehrheitsfindung flexibler ist. So können Minderheitsregierungen im Idealfall mit themenspezifischen Mehrheiten arbeiten, sich also für unterschiedliche Gesetzesvorhaben unterschiedliche Mehrheiten suchen. So kann auch die Opposition teilwiese politische Gestaltungsmacht erlangen. Die Aushandlungsprozesse können jedoch langwierig sein, und Vorhaben der Regierung können scheitern. Ebenso kann der Fall eintreten, dass Oppositionsparteien für bestimmte Themen eigene Mehrheiten im Parlament gegen eine Minderheitsregierung bilden. Insbesondere eine Minderheitsregierung ohne formelle Vereinbarungen mit Oppositionsparteien steht vor dieser Herausforderung.

In jedem Fall wird in Zeiten einer Minderheitsregierung der Unterschied zwischen Exekutive und Legislative deutlicher sichtbar, denn Regierungshandeln – zum Beispiel das Verabschieden von Verordnungen, die Organisation z.B. des Schulbetriebs und vieles andere – ist auch ohne Gesetzesmehrheiten weiter möglich. Die Legislative wiederum hat weiter alle parlamentarischen Kontrollrechte und Steuerungsmöglichkeiten gegenüber der Regierung, z.B. über die Haushaltsgesetzgebung.

Während in Deutschland Minderheitsregierungen, wie in Thüringen, oftmals als Notlösungen erwogen werden, erscheinen sie vor allem geeignet, in zersplitterten und polarisierten Parteiensystemen stabiles Regierungshandeln zu erleichtern.


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